Seit 2000 vor Schulbau gewarnt
Referatsleiter des Kultusministeriums: Schülerzahl in Sachsen seit 1991 von 700000 auf 377000 gefallen
Wurzen. Fachkräfte für die Wirtschaft der Region – um dieses Thema ging es am Dienstagabend im Beruflichen Schulzentrum (BSZ) Wurzen. Die Standortinitiative Wurzen (SiW) hatte zu der Veranstaltung auch Martin Wünschmann, Referatsleiter im Kultusministerium, und Cordula Hartrampf-Hirschberg, Leiterin der Agentur für Arbeit Oschatz, eingeladen. Als Untertitel für das Treffen hatte die SiW "Ausbildung – Chancen und Probleme" gewählt. Bei den Worten Wünschmanns wurde deutlich, dass die Probleme einen wahren Berg bilden.
"Die Ausbildung von Fachkräften ist inzwischen eine europäische Aufgabe", erklärte der für Berufsschulen und Fachschulen zuständige Referatsleiter. Andere Länder wie Frankreich zum Beispiel hätten ähnliche Probleme. Wie schwierig sich die Situation in Sachsen darstellt, machte Wünschmann an Zahlen deutlich. Er begleite die Entwicklung seit 1991, erklärte er. Damals habe es etwa 700000 Schüler in Sachsen gegeben, 140000 an Berufsschulen. Aktuell würden noch insgesamt 377000 junge Menschen sächsische Schulen besuchen, 72000 davon Berufliche Schulzentren. Eine gravierende Verbesserung der Situation sei nicht zu erwarten. Nach 2020 gebe es noch einen kleinen Anstieg, doch bis 2030 würden die Zahlen wieder fallen. Diese Entwicklung schlage sich auch in den Zahlen der BSZ und in den Zahlen an den BSZ nieder. "1991 hatten wir 121 Berufliche Schulzentren, jetzt sind noch 62 übrig." Eines davon ist das BSZ Wurzen. Dass es auch hier nicht rosig aussieht, machte Schulleiter und Gastgeber Eckhard Harnisch deutlich. Die Schülerzahl sei von etwa 1500 auf gut 500 gesunken. "Wir haben schon seit dem Jahr 2000 davor gewarnt, neue Schulen zu bauen", erklärte Wünschmann. Derartige Investitionen würden schlicht am Bedarf vorbeigehen und unnötig Geld verschlingen. Das würde an anderer Stelle jedoch dringend gebraucht, denn auch fehlende Fachlehrer seien ein riesiges Problem. Dazu komme der "Größenwahn", dass alle meinten, Abitur machen zu müssen. Außerdem nehme die Orientierungslosigkeit der Jugendlichen zu. Diese Einschätzung teilten auch Bürgermeister, die an der SiW-Veranstaltung teilnahmen. Jörg Röglin (parteilos, Wurzen) und Thomas Pöge (CDU, Thallwitz) appellierten, hier müsse dringend und vor allem auch rechtzeitig gegengesteuert werden.
Dass Berufsorientierung wichtig sei, unterstrich auch Carola Hartrampf-Hirschberg. Die Agentur, die Geschäftsstellen unter anderem in Wurzen und Grimma unterhält und für den Landkreis Leipzig zuständig ist, biete dazu nicht nur in Oschatz Veranstaltungen an. Sie besuche auch Elternabende oder organisiere monatliche Sprechstunden an Schulen. Die Palette der Agentur reiche von Beratung über Information und Vermittlung bis hin zur finanziellen Unterstützung, erklärte die Agenturchefin. Am Beispiel Wurzen erläuterte sie: "Es gibt eine Diskrepanz zwischen Fachkräftebedarf und der Ausbildung." In der Ringelnatzstadt gebe es beispielsweise unter den Betrieben fast 32 Prozent produzierendes Gewerbe, das spiegele sich in den Unterrichtsangeboten des BSZ Wurzen aber nicht wider. Ulrich Heß von der SiW ergänzte dazu, dass sich auch in der Praktikumsbörse die Stärke des produzierenden Gewerbes nicht zeige, es gebe nur wenig Angebote. Es seien viele Fragen offen geblieben, zog SiW-Vorsitzender Eberhard Lüderitz das Fazit. Anderes habe er aber auch nicht erwartet. [Von Heinrich Lillie)
Quelle :LVZ vom 21.05.2014, Seite 29