Emotionale Debatte
um Zukunft der Muldentalkliniken

Von Kai-Uwe Brandt

Bürgerforum im Wurzener Kulturhaus mit deutlichem Signal an die Geschäftsführung: Forderung nach bessere Kommunikation zum Strukturwandel

Sie stehen Rede und Antwort (v.l.n.r.): Moderator Hartwig Kasten mit seinen Gesprächspartnern – Klinik-Geschäftsführer Mike Schuffenhauer, Chefärztin Elke Wagler, Landrat Henry Graichen, Oberbürgermeister Marcel Buchta, Landtagsabgeordneter Kay Ritter sowie Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer. Thomas Kube

Wurzen. So viel steht mittlerweile fest: Das Krankenhaus Wurzen behält seine renommierte Geburtshilfe. Mit fünf zu vier Stimmen sprachen sich die Mitglieder des Aufsichtsrates der Muldentalkliniken am Freitagnachmittag in einer Sondersitzung für den bisherigen Standort aus. Mit diesem Votum entschärfte das Gremium schon einmal die Brisanz im Vorfeld des Bürgerforums, das am Sonnabendvormittag im Kulturhaus Schweizergarten stattfand. An Emotionalität angesichts der geplanten Strukturreform fehlte es dennoch nicht.

Wie sehr das Thema die Menschen vor Ort, vor allem aber die Mitarbeiter der Muldentalkliniken bewegt, zeigte allein der volle Saal. Antworten auf ihre Fragen über die Zukunft des Hauses beantworteten die Protagonisten desPodium, zu denen LandratHenry Graichen (CDU), Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos), der CDU-Landtagsabgeordnete Kay Ritter, Erik Bodendieck, Präsident der SächsischenLandesärztekammer, sowie Klinik-Geschäftsführer Mike Schuffenhauer und Chefärztin Elke Wagler zählten. Die Moderation lag in den Händen von Hartwig Kasten, Präsident des Sozialgerichtes Leipzig.

Krankenstand liegt bei 16 Prozent

Zunächst stimmte der Jurist die Besucher mit wenigen Worten und einigen Fakten in die aktuelle Problematik ein. Demnach beschäftigt die Muldentalkliniken gGmbH an den zwei Standorten in Grimma und Wurzen circa 1000 Mitarbeiter und verfügt über 355 Planbetten. Laut des Geschäftsführers Schuffenhauer, so Kasten, liegt die derzeitige Fluktuation beim Personal bei 8,4 Prozent, der Krankenstand beträgt 16 Prozent.

Wie in anderen Regionen stehe auch für die kreiseigene Krankenhausgesellschaft ein Strukturwandel an. Aus diesem Grund wurde eigens ein externes Gutachten an die Lohfert & Lohfert AG aus Hamburg vergeben. Eben jene Expertise sah unter anderem die Verlegung der Geburtshilfe und Kinderklinik von Wurzen nach Grimma vor. Doch gegen die drohende Schließung lief Wurzen Sturm. Insbesondere befürchteten die Kritiker, dass der Standort Wurzen dadurch „in die Bedeutungslosigkeit abrutschen könnte“, betonte Oberbürgermeister Buchta. Er sowie Landespolitiker Ritter und Kammerpräsident Bodendieck forderten vielmehr ein Gleichgewicht beider Standorte. Eine Zentralklinik in Grimma sei nie angedacht gewesen, reagierte Schuffenhauer auf die Vorwürfe.

Bodendieck fordert mehr

Wertschätzung für das Personal

Besorgt zeigte sich Bodendieck außerdem in Bezug auf den hohen Krankenstand. Man müsse sich fragen, woher dieser kommt. „Wir reden über Wertschätzung und wollen das über Geld abwägen. Die Menschen möchten informiert und auf den Weg mitgenommen werden“, verdeutlichte er die Situation unter dem Beifall der Zuhörer. An die Adresse von Geschäftsführer Schuffenhauer gerichtet fügte Bodendieck an: „Wir müssen endlich in die Puschen kommen, und das ist ihre Aufgabe.“

Eine Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Pläne der Muldentalkliniken und deren Umsetzung wünschte sich Wurzens Stadtoberhaupt, während Kay Ritter endlich wieder ein Lächeln in den Gesichtern der Mitarbeiter sehen möchte.

Aufsichtsrat Jesse: Hier läuft mächtig was schief

Dass in den vergangenen Monaten und Wochen seitens der Geschäftsführung nicht auf die Ängste und Sorgen des Personals eingegangen wurde und folglich ein Kommunikationsdefizit im Klinikverbund herrsche, kam letztlich im zweiten Drittel der Veranstaltung zur Sprache. „Hier läuft mächtig was schief“, äußerte sich zum Beispiel der Brandiser Bürgermeister und Aufsichtsrat Arno Jesse (SPD). Von Schuffenhauer verlangte er, die neue Linie mitzutragen und nicht immer von Kennzahlen zu reden. „Es geht um Menschen!“

Wir wollen wieder in Ruhe arbeiten“, betonte Katrin Gröger, Chefärztin der Kinder- und Jugendmedizin, und wollte zugleich von Henry Graichen eine Versicherung, dass die Abteilung in Wurzen verbleibt. Was am Freitag vom Aufsichtsrat beschlossen wurde, so der Landrat, trete auch in Kraft.

Weiterhin Sorge um Verbleib des Zentrallabors in Wurzen

Keine Hoffnung machte Geschäftsführer Schuffenhauer für den Verbleib des Zentrallabors in Wurzen auf Nachfrage von Kathrin Hofreiter und Andrea Steinhausen. Der Wechsel des Personals nach Grimma soll ab Juli vollzogen werden. Der Standort in der Kutusowstraße würde dann lediglich von einer Fachkraft betreut. – Chefärztin Elke Wagler plädierte indes für ein Überdenken dieses Entschlusses.

Das Bürgerforum im Schweizergarten endete nach gut zwei Stunden mit dem Fazit von Landrat Graichen, dass die Kommunikation im Moment die größte Baustelle sei. Kay Ritter überreichte ihm zum Schluss noch die Unterschriftenliste mit dem Hinweis, dass der vielstimmige Protest deutlich zeige, wie sehr eine Region für ihr Krankenhaus brenne. Lob von allen Seiten erhielt übrigens Moderator Hartwig Kasten, der souverän durch die Veranstaltung führte.

Quelle: LVZ vom 06.02.2023