Nach 14 Jahren Muldentalzeitung: Heinrich Lillie nimmt Abschied vom Berufsleben
Von Haig Latchinian
Wurzen. "Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Worte weglassen." Frei nach Mark Twain begrüßte Heinrich Lillie gestern zu seinem Abschied vom Arbeitsleben zahlreiche Gäste
. Alle waren sie ins Schloss Wurzen gekommen – Familie, Freunde, Kollegen, Kunden, Partner. "Heinrich Lillie war 14 Jahre das Gesicht der Muldentalzeitung", würdigte LVZ-Geschäftsführer Björn Steigert die Verdienste des Regionalchefredakteurs und -verlagsleiters. LVZ-Chefredakteur Jan Emendörfer nannte den 63-Jährigen einen Fels in der Brandung. "Mögen seine Nachfolger, Kerstin Friedrich im Verlag und Thomas Lieb als Ressortleiter Landkreis Leipzig, das Schiff auf Kurs halten."
Als – so wörtlich – Vertreter des Fußvolks stellte sich der langjährige Redakteur Wulf Skaun vor: "Mit Heinrich Lillie geht ein Vollblutprinter von Bord, einer, der noch wusste, wie Blei und Druckerschwärze riechen." Der Chef habe zwar die "Richtlillien" für den Redaktionsalltag verfasst, seinen Mitarbeitern jedoch inhaltlich freie Hand gelassen: "Im Falle hartnäckigen Schlendrians riet ich ihm, mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen", so Skaun, "doch der stets geduldige Herr Lillie lächelte und hielt es mit Willy Brandt, wonach ihm hinterher nur die selbige weh tue". In einer verlesenen Botschaft lobte Landrat Gerhard Gey die Recherchequalitäten des Heinrich Lillie. "Er hielt der Gesellschaft den Spiegel vor, wobei ich weder den konvexen noch den konkaven meine, die die Realität verzerren." Ihr Mann sei Journalist mit Leib und Seele gewesen, sagte Annemarie Lillie: "Bei allem Einsatz für die Familie hatte er das Glück, sein Hobby zum Beruf machen zu können."
Dabei hatten seine Eltern ganz andere Dinge mit ihm vor. Vater Heinrich war Landwirt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sein Sohn die Felder in Niedersachsen bestellt. "Meine Mutter Marga wollte Lehrerin werden. Doch in den Kriegswirren kam alles anders und so sollte ich wenigstens Lehrer werden", verriet Lillie. Folglich nahm er ein Lehrerstudium auf, verdiente sich sein Geld als Skilehrer, Asphaltträger, Tankwagenfahrer und – freier Mitarbeiter bei der Braunschweiger Zeitung. Sein Berufsleben begann tatsächlich als Pauker für Sport und Mathematik, doch folgte er schon bald dem Lockruf der Presse. Über die Braunschweiger Zeitung und die Wolfsburger Allgemeine kam er 2000 zur LVZ. Gestern dankte er Frau und Tochter. Und dem gesamten Zeitungsteam: "Wir stellten stets den Leser in den Mittelpunkt. Wir haben Feste gefeiert und Katastrophen gemeistert."
Hubertus Letzner erinnerte an die Flut 2002, als die Grimmaer Redaktion meterhoch im Schlamm versank: "Lillie bat mich um Hilfe. Daraufhin veranlasste ich von jetzt auf gleich, dass die Redaktion in unsere Büros ausweichen konnte", sagte der einstige Geschäftsführer des TLG-Gewerbeparks. Thomas Friedrich, Direktor der Volkshochschule, bezeichnete Lillie als Realisten, der doch Optimist geblieben sei: "Ich verfasste ein satirisches Buch zum Gebrauch der deutschen Sprache. Titel: Ich habe Hühnerbrüstchen. Lillie half bei den Korrekturen und meinte hinterher: Es könnte sein, dass es jemand liest." Ex-Beigeordneter Klaus-Jürgen Linke erwähnte Lillies kritische Ernsthaftigkeit aber auch seine originelle Ader: "So brachte er das Boßeln, jene ostfriesische Variante des Kugelstoßens, mit ins Muldental."
Grimmas Hofnarr Ecki Zeugner zitierte Charlie Rivel, jenen weltberühmten Spaßmacher: "In jedem Menschen steckt ein Clown, doch nur die wenigsten haben den Mut, es zu zeigen." Sprach's und setzte dem immer adrett gekleideten Chef die Clownsnase auf.
Quelle: LVZ vom 20.12.2014, Seite 33