Sehr geehrte Kreisräte,
der Sanierungsvorschlag für die Muldentalkliniken, über den Sie in Ihrer nächsten Sitzung am 10. Mai abstimmen sollen, ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Das im Konzept vom 17.04. empfohlene Szenario besagt mehr oder weniger die Einstellung des stationären Angebotes und damit die Quasi-Schließung des Krankenhausstandortes Wurzen – das nach Fallzahlen und Umsatz größere Krankenhaus!
Wurde zu Jahresbeginn noch darüber diskutiert, die Pädiatrie und Geburtsklinik aus Wurzen nach Grimma zu verlegen, aber beide Standorte sichern zu wollen, sollen nach aktuellem Konzept nur noch 26 von aktuell 178 Betten in Wurzen verbleiben (-85%!), damit nahezu alle Stationen nach Grimma verlagert sowie die Notaufnahme geschlossen werden.
Dies bedeutet damit auch das Aus der nahen medizinischen Krankenhaus-Versorgung für den gesamten ehemaligen Landkreis Wurzen mit über 40.000 Einwohnern durch die Hintertür. In Wurzen soll man dann scheinbar gut altern – und sterben. Exzellent sterben kann man dann Montag bis Freitag nach 19 Uhr sowie am Wochenende, denn da gibt es weder eine Notaufnahme, geschweige denn eine Notfallsprechstunde.
Ich kann Sie nur dazu auffordern, diese Option abzulehnen und Verantwortung für den gesamten Landkreis zu übernehmen!
Ohne Zweifel brauchen die Muldentalkliniken ein Sanierungskonzept. Was jedoch vorgelegt wird ist haarsträubend und ein Armutszeugnis des Landkreises und der Geschäftsführung. Grundlegend wird ein Einnahmeverlust gegenüber dem aktuellen Wirtschaftsplan (- 7,0 Mio. € bis 2026) und die deutliche Verschlechterung der Gesundheitsversorgung im nördlichen Landkreis hingenommen sowie die gesamte nördliche Region rund um Wurzen und angrenzende Gemeinden weiter strukturell geschwächt. Es wird keine Rücksicht auf Beschäftigte genommen und überhaupt lebt das neue Szenario nur durch deutliche Einsparungen beim Personal (- 11,3 Mio. € bis 2026).
Da stellt sich mir die Frage: Haben der Landrat und andere politisch Verantwortliche im Landkreis bald die Zukunft des Wurzener Landes und der Umlandgemeinden auf dem Gewissen, bei dem selbst der Status Wurzens als Mittelzentrum in Frage gestellt werden könnte?
Offenbar hat die pure Angst vor der drohenden Insolvenz leider dazu geführt, dass Landrat Henry Graichen und die Geschäftsführung die Ausrichtung auf Einnahmepotenziale unter Sicherung beider Standorte, als auch weitere Entwicklungsstrategien aus dem Blick verloren haben. Unter anderem hat am Wurzener Berufsschulzentrum die Ausbildung von Pflege(hilfs)kräften begonnen, die auch Arbeitskräftepotenzial für die beiden Standorte sichern soll – welch Idiotie.
Ist das Sanierungskonzept tatsächlich alternativlos, wie es Ihnen suggeriert wird? NEIN!
Wie das Gutachten von Lohfert & Lohfert bereits gezeigt hat, ist es absolut empfehlenswert, fachlich sich ergänzende Bereiche zusammenzufassen und Synergien zu nutzen. Dabei ist es laut Gutachten unbedingt empfehlenswert an einem Standort die Viszeralchirurgie, Gynäkologie, Geburtsklinik und damit auch die Pädiatrie zu bündeln. Auf der anderen Seite kann am anderen Standort alles Weitere gebündelt werden, u.a. die Allgemein- und Handchirurgie, Orthopädie, Geriatrie mit Palliativmedizin etc. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich möchte konkret darauf hinweisen, dass es sehr wohl eine Alternative mit zwei Standorten (mind. Level In) gibt, die Kosten spart, aber auch Einnahmen erhöhen kann. Dies wird zum Beispiel im Nachbar-Landkreis Nordsachsen bereits in ähnlicher Form praktiziert!
Weiterhin fehlen konkrete Umsetzungspunkte, um die Einnahmen weiter zu steigern. Durch die Spezialisierungen an zwei Standorten würden sich freie Räumlichkeiten ergeben, die man unter anderem für andere ertragreiche Gesundheitsangebote nutzen könnte oder sie einfach nur an andere Gesundheitsdienstleister vermietet. Dies nur an einem Standort zu versuchen, bringt deutliche Klumpen-Risiken und stellt einen deutlichen Eingriff eines öffentlichen Trägers in den Markt ein.
Der Weg aus der aktuellen Krise kann nur darin bestehen, die jeweiligen Stärken in Grimma und Wurzen zu stärken und sich damit als Muldentalkliniken eine Region als Versorgungsgebiet zu erhalten. Mit dem jetzigen Vorschlag wird der Einzugsbereich der Kliniken aber praktisch verkleinert.
Ohne Frage ist die Liquiditätshilfe unabdingbar – aber mit Augenmaß und echter Perspektive!
Um die Muldentalkliniken als Ganzes wieder auf stabile Füße zu stellen ist eine Liquiditätshilfe notwendig. Aktuell sprechen Landrat und Geschäftsführung von 10 Millionen Euro, obwohl in allen Szenarien von mindestens 15 – 20 Millionen Defizit bis 2026 die Rede ist.
Warum hier nicht die Hilfe splitten, in 10 Millionen kurzfristige Liquiditätshilfe und zusätzlich eine Investitionssumme von rund fünf Millionen, um die beiden Klinikstandorte zukunftsfähig, effizienter und ertragreicher zu gestalten. Klug eingesetzt, könnte es die Muldentalkliniken in die Lage versetzen eigenständig zu gesunden. Vorausgesetzt, es wird zeitgleich das Führungsfiasko beseitigt. Alle Entwicklungen der vergangenen Jahre machen deutlich, dass die Unternehmensleitung weder in wirtschaftlicher noch in personeller Hinsicht klug, strategisch und vor allem verantwortungsvoll für die Muldentalkliniken agierte und auch der Landkreis seiner Verantwortung nicht in ausreichendem Maße nachkommt.
Sie als Kreisräte, die in ihrem Ehrenamt Verantwortung für den gesamten Landkreis tragen, sind gut beraten, hier alle Optionen zu prüfen und alle vorliegenden Zahlen und Szenarien kritisch und mit Weitblick abzuwägen.
Eine ganze Region hofft auf Sie!
Um unseren Forderungen noch mehr deutlich zu machen, unterstützen wir die Demonstration am 10. Mai ab 16 Uhr in Borna zur Kreistagssitzung in vollem Maße. Deshalb rufen wir ebenso Bürger, Mitarbeiter, frühere und potenzielle Patienten sowie Unternehmen auf, diese Aktion zu unterstützen und nicht eine weitere öffentliche Einrichtung kampflos aufzugeben. Um die Anreise zu erleichtern, werden Sammelbusse vom Clara-Zetkin-Platz und vom Bahnhof aus starten. Details folgen.
Quelle Homepage Stadtverwaltung Wurzen